Vielfalt erhalten mit alten Rassen

Eine Lanze für alte Nutztierrassen brechen – dies war das Thema zweier Veranstaltungen in Ostfriesland und in der Wesermarsch. Im Rahmen des vom Bundesamt für Naturschutz geförderten Projektes ‚Tiergenetische Ressourcen in Biosphärenreservaten in Deutschland’ hatte die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen (GEH) gemeinsam mit der Nationalpark- und Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer den Informations- und Gedankenaustausch organisiert.
Auf dem Arche-Hof Upstalsboom der Familie Bohlen in Aurich erhielten die Teilnehmer einen eindrucksvollen Einblick in die Haltung u.a. von Schwarz-Buntem Niederungsrind,  Ostfriesischem Kaltblut, Emder Gänsen und der Ostfriesischen Möwe, einer alten Hühnerrasse. Der Hof liegt inmitten einer reizvollen typisch ostfriesischen Wallheckenlandschaft. Neben der Zucht der gefährdeten Nutztierrassen steht der Bildungsauftrag im Vordergrund. Etliche Schulklassen und Gruppen werden hier über das Thema und über die Vielfalt der landwirtschaftlichen Arbeit informiert.
Zum Auftakt der zweiten Veranstaltung in der Wesermarsch ging es zunächst zum Sehestedter Außenmoor. Leenert Cornelius, Vorsteher des II. Oldenburgischen Deichbandes, stellte die Beweidungsversuche mit Rindern in den Außendeichsflächen am „Schwimmenden Moor“ vor, die in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer durchgeführt werden. „Man ist sich nicht immer einig, aber man muss miteinander reden und zu gemeinsamen Lösungen kommen“ war der einhellige Tenor von Leenert Cornelius und Peter Südbeck, Leiter der Nationalpark- und Biosphärenreservatsverwaltung. Südbeck ergänzte: „Wenn in Naturschutzflächen Beweidung stattfindet, wäre der Einsatz alter Nutztierrassen optimal“.  So werden in den Außendeichsflächen an der Wurster Nordseeküste auf Initiative und in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung Deutsche Schwarz-Bunte Niederungsrinder zur Landschaftspflege eingesetzt.
In den anschließenden Fachvorträgen erfuhren die Besucher viel Wissenswertes zur Situation gefährdeter Nutztierrassen in Deutschland und speziell im Gebiet des UNESCO-Biosphärenreservates Niedersächsisches Wattenmeer.
„Artenvielfalt ist Vielfalt von Ökosystemen – Kernthema ist, sich darum zu kümmern, genetische Ressourcen zu erhalten“, begrüßte Peter Südbeck die Gäste in Aurich und Schweiburg und führte an, dass der Erhalt historischer Haustierrassen ein Baustein dafür ist,  „Zukunftsfähigkeit zu organisieren“.
Antje Feldmann, Geschäftsführerin der GEH, stellte in ihrem Vortrag zu tiergenetischen Ressourcen in Deutschland und in Biosphärenreservaten heraus: „Von 105 alten Haustierrassen in Deutschland sind 90 Rassen bedroht“. Sie betonte, dass unter dem Motto „Erhalten durch Aufessen“ ein Bedarf an Produkten gefährdeter Haustierrassen geschaffen werden muss. Mit dem Motto „Erhalten durch Nutzen“ stellte sie den Bezug zur Nutzung von Wollprodukten alter Landschaftrassen her. Klaus Gerdes von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Uwe Ralle, Leiter der Bezirksstelle Oldenburg-Nord der Landwirtschaftskammer, informierten über Fördermöglichkeiten und -bedingungen alter Nutztierrassen in Niedersachsen. Als Hobbylandwirt verwies Uwe Ralle insbesondere auf das Weißköpfige Fleischschaf, eine vor Ort typische und geeignete Rasse, deren Bestände jedoch stark bedroht sind. Das bestätigte auch Meike Avramut-Lampe in ihrem Bericht aus der Praxis und ihren Erfahrungen u. a. im Umgang mit den Weißköpfigen Fleischschafen und den eher robusten und vielseitigen Coburger Fuchsschafen.
„Die nächste bedrohte Rasse sind die Schlachter und Fleischer, die Strukturen brechen weg bzw. sind schon weggebrochen“, war dann das Statement von Helge Thoelen (Verein zur Erhaltung des Bunten Bentheimer Schweins e.V.) zur Problematik der Vermarktung. In der abschließenden angeregten Diskussion in Schweiburg wurde deutlich, dass ein großes Interesse besteht, Regionalität zu erhalten. Welche Vermarktungschancen es gibt und  welche Möglichkeiten, diese über das Biosphärenreservat zu realisieren, gilt es auszuloten. Südbeck fasste abschließend zusammen: „Es lohnt sich aus regionaler Sicht, aus nachhaltiger Sicht und aus Naturschutzsicht, Vielfalt zu erhalten“ und verwies dabei auf das Vorhaben der Biosphärenreservatsverwaltung, einen regionalen Warenkorb zusammenzustellen und über diesen ersten Schritt eine Plattform und Vermarktungsoptionen für regionale Produkte zu schaffen.
In Aurich leitete Gerhard Mauer mit einem Erfahrungsbericht zum Umgang mit Ostfriesischen Möwen, Weißen Gehörnten Heidschnucken und Deutschen Schwarzbunten Niederungsrindern auf dem Schulbauernhof NABU Woldenhof zur gemeinsamen Diskussion über. Am Ende waren sich auch hier die Teilnehmer einig, dass die Haltung gefährdeter Haustierrassen derzeit zwar ein Nischensegment ist, das Engagement sich aber auf jeden Fall lohnt. 
Weitere Informationen zum Projekt der ‚Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.’ finden Sie unter www.g-e-h.de .
Um einen Überblick über die aktuelle Situation der Tierhaltung in den deutschen Biosphärenreservaten (BR) zu erhalten, sucht die GEH den Kontakt zu möglichst vielen, in den Biosphärenreservaten wirtschaftenden, tierhaltenden landwirtschaftlichen Betrieben. Insbesondere Tiere mit Weidegang und natürlich auch bereits vorhandene alte Rassen im Bereich der Hobbytierhaltung vom Rind bis zur Pute sind von großem Interesse. (Kontakt: Tel: 05542-1864 oder 05542-72558, E-Mail: info [at] g-e-h [dot] de).