Nachhaltiger Tourismus im Weltnaturerbe Wattenmeer

Rund 70 Fachleute aus Tourismus, Naturschutz, Wirtschaft und Verkehr der niedersächsischen Wattenregion trafen sich am Mittwoch in Wilhelmshaven zu einem Workshop für die Entwicklung einer nachhaltigen Tourismusstrategie. Mit der Anerkennung als Weltnaturerbe 2009 hat die UNESCO die Anrainer zur Entwicklung einer solchen Strategie verpflichtet. Dazu startete im Oktober 2011 ein länderübergreifendes  Projekt für Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und die Niederlande sowie Dänemark, dessen Wattenmeer zukünftig auch zum Welterbe gehören soll. In vier regionalen Workshops diskutieren maßgebliche Akteure der Wattenmeerländer Ideen, Maßnahmen und Ziele für den nachhaltigen Tourismus.
 
Zum Auftakt des Workshops im Wattenmeer-Besucherzentrum Wilhelmshaven wurde anhand von Best-Practice-Beispielen aus anderen Regionen der Welt dokumentiert, welches Potenzial das Welterbe für die sozioökonomische Entwicklung besitzt, wenn es gelingt, die Aktivitäten der Interessensvertreter aus den verschiedenen Sektoren und Regionen zu bündeln und Synergien zu nutzen. Der Weltnaturerbetitel fördert den Naturschutz, bietet aber auch Chancen, die Qualität des Tourismus zu verbessern und die Zukunftsfähigkeit der Region zu erhöhen.
 
Für die Arbeitsgruppe (AG) „Marketing & Kommunikation“ unter Leitung von Kai Pagenkopf (Tourismus Consultant) ist es ein wichtiges Ziel, den Gedanken der Nachhaltigkeit und Qualität in die Betriebe zu bringen, beginnend von der Ausbildung bis hin zu regelmäßigen Informationen über das Weltnaturerbe.  Friedrich Reuter (Ländliche Erwachsenenbildung) präsentierte als Leiter der AG „Qualifizierung & Weiterbildung“ eindrucksvoll „Rhetorik für Kapitäne“, die – wie auch Busfahrer – die Gäste schon bei der Anreise auf das Welterbe einstimmen können. „Bewusstsein, Stolz, Wahrnehmung, Wissen“ wurden als Kernfaktoren für die Verankerung des Welterbes in Herzen und Köpfen der touristischen Dienstleister und Grundlage für die überzeugende Vermittlung an die Gäste definiert.
 
In der AG „Öffentlicher Verkehr“ unter Leitung von Tilli Rachner (Verkehrsverbund und Verkehrsregion Ems-Jade) bestand Einigkeit, dass das ost-/friesische Erfolgskonzept „Urlauberbus“ auf die gesamte Welterbeküste bis Cuxhaven und auch Schleswig-Holstein übertragen werden sollte. Zudem sollen auch Einheimische und Tagesgäste vermehrt auf attraktive ÖPNV-Angebote umsteigen.
 
„Scholle und Granat statt Pangasius, Scampi & Co“ lautet das Credo der AG  „Unterkunft / Gastronomie & regionale Produkte“ in Hinblick auf nachhaltig und regional konzipierte Speisekarten. Sandra Langheim, Kurdirektorin der Wurster Nordseeküste, machte anhand der Nationalpark-Partnerbetriebe deutlich: „Wer dabei sein will, muss das Thema auch leben und emotional dahinter stehen“. Qualitätskriterien dürften nicht verwässert werden, das Ziel sei „Klasse statt Masse“.
 
Einen klaren „Perspektivwechsel“ fordert die AG „Umweltbildung und Naturerlebnisangebote“. Das Wattenmeer darf als Urlaubsziel nicht beliebig sein, so Bernd-Uwe Janssen (RUZ Schortens). Vom inszenierten Zugang durch ein „Tor zum Nationalpark“ bis hin zur Verankerung des Themas in Lehrplänen reichen die Maßnahmen, um ein einmaliges Profil mit „aha-Effekt“ zu entwickeln. Deutliche Forderungen der AG „Naturschutz“ überbrachte Armin Tuinmann (Landkreis Friesland), darunter Ausbau der hauptamtlichen Betreuung und Überwachung im Weltnaturerbe, Besuchermonitoring, Senkung des Landschaftsverbrauchs und Stärkung der Nationalpark-Häuser. Wie die AG Umweltbildung regte auch diese Gruppe einen Natur-Beitrag im Kurbeitrag an.
 
Arndt Meyer-Vosgerau (Nationalparkverwaltung) resümierte: “Wir haben einen breiten Konsens darüber, dass das Weltnaturerbe einen echten Mehr-Wert für die Region bringen kann: ein verbesserter Wattenmeerschutz ist die Grundlage für einen an der Nachhaltigkeit ausgerichteten Tourismus.“ Für Oliver Melchert (Die Nordsee) lautet das Fazit der Veranstaltung: „Die Bevölkerung stolz machen auf ihr Weltnaturerbe – und: Qualität, Qualität, Qualität!“
 
Wie geht es weiter? Die Ergebnisse dieses Workshops und der weiteren in Schleswig-Holstein, Dänemark und den Niederlanden werden zusammen mit einer länderübergreifenden Befragung der Stakeholder ausgewertet. Bis Juni 2012 wird der Entwurf für die gemeinsame Tourismusstrategie vorgelegt, daraus wird bis Ende des Jahres ein Maßnahmenplan entwickelt, die Umsetzung erfolgt 2013 / 2014.
 
Organisiert wurde der Workshop von der Nationalparkverwaltung, der Nordsee GmbH und der Regierungsvertretung Oldenburg im Rahmen des niederländisch-deutsch-dänischen EU-Projektes „PROWAD - Protect and Prosper: Sustainable Tourism in the Wadden Sea“. Für die Entwicklung einer länderübergreifenden Strategie für nachhaltigen Tourismus und die Umsetzung eines entsprechenden Aktionsplans stehen im Zeitraum von Oktober 2011 bis Juni 2014 gut 1,3 Mio. Euro zur Verfügung.
 Weitere Informationen unter www.prowad.org